Mit Gebeten und mahnenden Worten: Vogtländer gedenken der Opfer des Hamas-Terrorangriffs in Israel

Von Nancy Dietrich

 

Zum ersten Mal hat es am Freitagabend in Plauen eine Solidaritätskundgebung für Israel gegeben. Sie bewegte viele Teilnehmer. Am Rande musste die Polizei mehrere Platzverweise aussprechen.

 

Mit Gebeten, einer Schweigeminute und eindringlichen Mahnungen haben mehr als 100 Vogtländer am Freitagabend vor der Plauener Lutherkirche ihre Solidarität mit Israel bekundet. Angemeldet hatte die Kundgebung Ralf Oelschlägel vom Verein Jesus für Plauen und das Vogtland. Es handelte sich um die erste pro-israelische Kundgebung im Vogtland nach den Terrorangriffen der Hamas vom 7. Oktober.

 

„Wir stehen hier, um diesen feigen Angriff der Hamas auf Israel zu verurteilen“, sagte Oelschlägel. Israelis, Kinder, Babys, Alte seien auf bestialische Weise abgeschlachtet worden. Was für ihn besonders bewegend sei: „Israel ist näher als wir denken.“ Holocaustüberlebende, die in das Land geflüchtet waren, seien nun wieder in Angst. „Es geht mir sehr, sehr nahe, wenn die Holocaustüberlebenden wieder um ihr Leben fürchten müssen.“

 

Bürgermeister Tobias Kämpf (CDU) verurteilte den Judenhass von Hamas-Anhängern, der seit Tagen auch auf deutschen Straßen zu vernehmen ist, und den Antisemitismus, von dem er nicht geglaubt hätte, dass man ihn nach 1945 noch einmal so erleben müsse. „Das sind die Erben Adolf Hitlers“, sagte Kämpf. Der Bürgermeister forderte, die deutschen Hilfen für die Palästinensergebiete endgültig zu beenden und er warnte vor einer Täter-Opfer-Umkehr. „Juden brauchen unseren Schutz.“

 

Mehrere Vogtländer, die jüngst in Israel auf Reisen waren, berichteten von ihren Erlebnissen nach dem 7. Oktober, von Angst, Trauer, Emotionen und auch über die Erleichterung, sicher nach Deutschland zurückkehren zu können. Allerdings, so schilderte es Werner Hartstock von den Sächsischen Israelfreunden: „Wir haben uns wie Verräter gefühlt: Wir hauen hier ab, ihr müsst das auslöffeln. Das Gefühl lässt mich nicht los.“ Hartstock richtete mehrere Forderungen an die Bundespolitik, unter anderem die uneingeschränkte Unterstützung Israels und das Verbot von

Vereinen in Deutschland, die der Hamas, der Hisbollah-Miliz und dem iranischen Regime nahe stehen.

 

Hassparolen seien keine Meinungsäußerungen, mahnte Rico Drechsler vom Vogtländischen Israel-Verein. Er forderte die Vogtländer auf, den Opfern beizustehen und mutig zu sein, Hass gegen Juden nicht zu dulden, zu widersprechen. „Das ist unser Land, unsere Freiheit, wir haben keine Angst“, sagte er.

 

Nach Angaben der Polizei nahmen 150 Personen an der Kundgebung teil. Störungen wie vor wenigen Tagen in Chemnitz gab es nicht. Rund um die Veranstaltung sprach die Polizei nach eigenen Angaben mehrere Personengruppen mit sichtbarem Palästinabezug gezielt an und verwies sie des Platzes, um ein Aufeinandertreffen beider Seiten zu unterbinden. Im Bereich der Melanchtonstraße stellte die Beamten zudem einen Pkw mit fünf Personen fest, aus dem überlaut Musik zu vernehmen gewesen sei. Die Polizei erstattete Anzeige wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen gegen den Fahrer, einen 22-jährigen Libanesen. „Darüber hinaus kam es zu keinen nennenswerten, polizeilich relevanten Sachverhalten“, teilte eine Sprecherin am Abend mit. 71 Einsatzkräfte seien vor Ort gewesen.

 

Grußwort von Oded Ronen, Nachfahre Plauener Juden, wohnhaft in Tel Aviv

 

Dies sind die dunkelsten Tage in der Geschichte Israels.

Familien, die ihr normales Leben führten, wurden in Stücke gerissen.  Es gab einige Dörfer, die intakt blieben, Menschen, die dem Festival  entkommen waren.  Sie waren die Glücklichen.

Niemand weiß, warum sie überlebt haben, warum Gott, das Glück oder der Zufall sie ausgewählt haben.

Dann waren da noch die Familien, die völlig ausgelöscht wurden.

Keine Spur für die Zukunft.

Das Ende einer Welt.

Dann sind es diejenigen, die „nur“ ein Mitglied verloren haben.  Werden sie als glücklich angesehen?

Wer kann es sagen?

Die Welt hier ist schließlich, nach allem,  eine neue dunkle Welt, nicht die gleiche, wie vor zwei Wochen.

Gilt das Kind, das miterleben musste, wie seine ganze Familie ermordet wurde, aber überlebte, als Glückspilz?

Das sind Fragen, die man vor 80 Jahren besser stellen sollte.

Wir dachten, wir wären darüber hinaus.

Wir sind ein kleines Land.  Die Zahlen sind endlos.  Jeder kennt jemanden.

Trauer ist überall.

Die Zahl der Opfer war zu groß, als dass das Land sie bewältigen könnte.

Die Zivilisten mussten einen war-room, also eine Art Kriegs-büro eröffnen, um der Armee zu helfen zu erfassen, wie viele Tausende es gab, wie viele Verletzte, Entführte, Gerettete und Ermordete.  Tausende Menschen engagieren sich von morgens bis abends ehrenamtlich, um den Familien Gewissheit zu verschaffen und sicherzustellen, dass alle Geiseln bekannt sind.

Seit 11 Tagen leite ich die Einheit für schwer zu entschlüsselnde Sonderfälle.  Es waren 30 Freiwillige bei mir.  Großzügige Leute.  Scharfsinnig und großherzig.  Während der Schichten brachen Menschen zusammen.  Ich auch.  Während einer Schicht erfuhren die Menschen vom Tod ihrer Freunde und arbeiteten weiter.  Einige gingen zu Beerdigungen und kehrten zur Arbeit zurück.  Die anstehende Aufgabe ist wichtiger als Tränen, da es um das Leben von Menschen und geliebten Menschen geht.

Es ist die dunkelste Stunde Israels und gleichzeitig auch die hoffnungsvollste Stunde Israels.

Es wird Jahrzehnte dauern, bis sich die Nation erholt.

Aber wir werden uns daran erinnern, dass die Zivilisten im Moment der Wahrheit  gemeinsam aufstanden.

Wir wissen nicht, zu wem sich dieses Kind, das überlebt hat, entwickeln wird.

Vielleicht wird er etwas tun, das Israel verändert oder einen großen Unterschied in der Welt macht.

Wir sind hoffnungsvoll.

Danke für Ihre Unterstützung. Wir spüren Sie bis hier her. 

Oded Ronen

 

Abschließen möchte ich mit Could Have, einem Gedicht der Nobelpreisträgerin Wisława Szymborska

 

Könnte sein

Es hätte passieren können.

Es musste passieren.

Es ist früher passiert. Später.

Näher. Weiter weg.

Es ist passiert, aber nicht Dir.

Du wurdest gerettet, weil du der Erste warst. 

Du wurdest gerettet, weil du der Letzte warst.

Allein. Mit anderen.

Auf der rechten Seite. Der Linken.

Weil es geregnet hat. Wegen des Schattens. Denn der Tag war sonnig.

Du hattest Glück – es gab einen Wald.

Du hattest Glück – es gab keine Bäume.

Du hattest Glück – ein Rechen, ein Haken, ein Balken, eine Bremse, ein Pfosten, eine Drehung, ein Viertelzoll, ein Augenblick. 

Du hattest Glück – in diesem Moment floss ein Strohhalm vorbei.

Infolgedessen, weil, obwohl, trotz... 

Was wäre passiert, wenn eine Hand, ein Fuß, 

innerhalb eines Zentimeters, eine Haaresbreite von einem unglücklichen Zufall entfernt.

Du bist also hier? Immer noch schwindelig von einem weiteren Ausweichen,  gründlich rasiert, Gnadenfirst?

Ein Loch im Netz  und du schlüpftest durch?

Ich könnte nicht schockierter und sprachloser sein.

Hör zu, wie dein Herz in mir schlägt.

 


Herzlich willkommen, wir freuen uns über Ihren Besuch. Bei Interesse und Fragen nehmen Sie bitte Kontakt zu uns auf.

 

Über unsere bisherige Vereinsarbeit können Sie sich gerne auf dieser Webseite unter "Historie" informieren.